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Pflichtteil

Der gesetzliche Pflichtteil

Wird ein pflichtteilsberechtigter Erbe, beispielsweise durch Testament, von der Erbfolge ausgeschlossen, kann er gegenüber der Erbengemeinschaft seinen sogenannten Pflichtteil geltend machen. Dieser besteht – anders als in vielen europäischen Ländern – in einer Geldsummenforderung gegenüber dem Nachlass. Die Höhe der Pflichtteilsforderung hängt im Wesentlichen von der gesetzlichen Erbquote des Pflichtteilsberechtigten und der Gesamthöhe des Nachlasses ab.

Pflichtteilsberechtigte

Das Gesetz sieht als pflichtteilsberechtigt zunächst die Abkömmlinge des Erblassers an. Hierbei handelt es sich um diejenigen Personen, die mit dem Erblasser in absteigender gerader Linie verwandt sind, also Kinder, Enkel, Urenkel, etc.. Ebenfalls pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte sowie der Lebenspartner des Erblassers nach LPartG.

Pflichtteilsberechtigt sind grundsätzlich auch die Eltern des Erblassers.

Voraussetzung für das Entstehen des Pflichtteilsanspruchs ist dabei immer, dass der Pflichtteilsberechtigte nach gesetzlicher Erbfolge (also ohne gegenteilige letztwillige Verfügung) grundsätzlich Erbe geworden wäre.

Ist also beispielsweise das Kind des Erblassers beerbt worden, kann ein Abkömmling dieses Kindes den Pflichtteil nicht verlangen. Voraussetzung für die Erlangung des Pflichtteils ist wie erläutert immer, dass der Pflichtteilsberechtigte bei gesetzlicher Erbfolge berufen wäre, was in diesem Beispiel nicht der Fall ist, da das Kind des Erblassers die eigenen Abkömmlinge immer ausschließt. Aus dem gleichen Grunde kann ein durch den Erblasser ausgeschlossenes Kind den Pflichtteil verlangen, nicht aber zusätzlich dessen Abkömmlinge.

Ist der näher Berechtigte, also in unserem Beispiel das Kind des Erblassers, vor dem Erbfall verstorben oder schlägt er das Erbe aus, würde sein Abkömmling nach Gesetz Erbe werden und bei Ausschluss durch den Erblasser auch einen Pflichtteil erlangen.

Letztendlich muss also geklärt werden, wer ohne letztwillige Verfügung gesetzlicher Erbe des Verstorbenen geworden wäre. Wird eine dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten zugehörige Person dieser gesetzlichen Erben durch Testament oder Erbvertrag ausgeschlossen, entsteht für diese ein Pflichtteilsanspruch.

Höhe des Pflichtteils

Wie bereits erwähnt hängt die Höhe des Pflichtteils von der gesetzlichen Erbquote des Pflichtteilsberechtigten und vom Bestand und Wert des Nachlasses am Todestag ab.

Die Pflichtteilsquote wird abstrakt auf Grundlage der im konkreten Einzelfall anzunehmenden gesetzlichen Erbquote ermittelt. Sie beträgt gesetzlich immer die Hälfte desjenigen, was der Pflichtteilsberechtigte bei gesetzlicher Erbfolge – also ohne nachteilige letztwillige Verfügung – erhalten würde.

Es ist also auch hier in einem ersten Schritt zunächst davon auszugehen, dass die den Pflichtteilsberechtigten ausschließende Verfügung (Testament / Erbvertrag) nicht existiert. Dabei sind sämtliche Personen mitzuzählen, die „im Normalfall“ gesetzliche Erben des Erblassers geworden wären, also auch diejenigen, die die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt bzw. enterbt wurden. Auch wer auf seinen Pflichtteil verzichtet hat wird berücksichtigt, nicht jedoch derjenige, der einen Erbverzicht erklärt hat.

Waren der Erblasser und seine Frau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und hatten zwei Kinder, erbt die Ehefrau nach gesetzlicher Erbfolge die Hälfte des Nachlasses, die Kinder erben jeweils 1/4. Schließt der Erblasser seine Kinder durch Testament von der Erbfolge aus, steht ihnen ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also ein Geldsummenanspruch i. H. v. 1/8 des Nachlasses zu.

Nachlassbestand

Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, die konkrete Höhe des Nachlasses zu bestimmen. Klassischerweise wird hier der Aktiv- und der Passivbestand unterschieden und miteinander verrechnet.

Aktivbestand des Nachlasses

Die für den Pflichtteil erheblichen Aktiva bestehen aus sämtlichen Vermögenswerten des Erblassers, also Immobilien, Personen, Kraftwagen, Bank- und Wertpapierguthaben, Forderungen, etc.. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Rechtspositionen vererblich sind. Nicht berücksichtigungsfähig sind daher beispielsweise Wohnungsrechte, Unterhaltsansprüche. Ansprüche aus Lebensversicherungen fallen nur dann in den Nachlass, wenn kein Bezugsberechtigter benannt ist. Existiert ein Bezugsberechtigter ist im Rahmen eventuell bestehender Pflichtteilsergänzungsansprüche die Lebensversicherung dann möglicherweise in Höhe ihres Rückkaufswertes zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Nachlasses für den originären Pflichtteilsanspruch spielt die Lebensversicherung jedoch in einem solchen Fall keine Rolle. Existiert dagegen kein Bezugsberechtigter und die Versicherungssumme fällt in den Nachlass, ist sie selbstverständlich auch Basis für die Kalkulation des Pflichtteils.

Passivbestand des Nachlasses

Zur Berechnung des für den Pflichtteil maßgeblichen Nachlasses ist vom Aktivbestand der Passivbestand abzuziehen. Der verbleibende Überschuss ist dann Basis für die Pflichtteilsberechnung. Typische berücksichtigungswürdige Passivkosten sind die sogenannten Erblasserschulden. Hierunter versteht man Schulden, die der Erblasser eingegangen ist und die vererblich sind. So zum Beispiel:

  • Zahlungspflichten aus Verträgen
  • Steuerschulden
  • Schulden aus Schenkungsversprechen
  • Kreditverbindlichkeiten

Auch die sogenannten Erbfallschulden sind vom Aktivbestand des Nachlasses in Abzug zu bringen. Hierbei wird die Einschränkung gemacht, dass diese zumindest auch im Interesse des Pflichtteilsberechtigten beglichen werden, bzw. ihn auch dann getroffen hätten, wenn er selbst gesetzlicher Erbe geworden wäre. Hier sind zu nennen:

  • Die Kosten der Beerdigung
  • Ersatzpflicht für Sozialhilfekosten
  • Kosten der Auskunftserteilung und Wertermittlung im Rahmen des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs

Nicht abzuziehen sind dagegen beispielsweise die Kosten der dauernden Grabpflege, Verbindlichkeiten der Erben aus Vermächtnissen und Auflagen des Erblassers, Kosten der Testamentseröffnung, Kosten der Erbscheinserteilung, u.s.w..

Abzugsfähig bei der Berechnung des Pflichtteils ist dagegen der den Ehegatten gebührende Voraus. Sind die Eltern pflichtteilsberechtigt, ist der Wert aller Haushaltsgegenstände und Hochzeitsgeschenke abzuziehen. Macht dagegen ein Abkömmling den Pflichtteil geltend, hat nur der Wert der zur angemessenen Haushaltsführung nötigen Gegenstände außer Ansatz zu bleiben.

Schutz des Pflichtteils

Der pflichtteilsberechtigte Erbe kann beispielsweise auch dadurch benachteiligt werden, dass ihm anstatt eines Ausschlusses von der Erbfolge nur ein sehr geringer Teil zugewandt wird oder er beispielsweise durch Auflagen oder Vermächtnisse soweit beschwert wird, dass er im Ergebnis unterhalb des gesetzlichen Pflichtteils verbleibt.

Für diesen Fall bestehen Schutzrechte des Pflichtteilsberechtigten. So existiert beispielsweise der Anspruch auf den sogenannten Zusatzpflichtteil zum Ausgleich des Wertunterschiedes zwischen dem hinterlassenen Erbteil und dem vollen Pflichtteil. Bei Beschränkungen und Beschwerungen existiert zudem die Möglichkeit das Erbe auszuschlagen und stattdessen den Pflichtteil zu verlangen. Dieser berechnet sich dann anhand des Erbes ohne die Beschränkungen und Beschwerungen.

Im Bereich der unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten existieren umgekehrt Vorschriften, die die Anrechnung dieser Summe unter bestimmten Voraussetzungen auf den Pflichtteil vorsehen. Dies insbesondere dann, wenn eine sogenannte Anrechnungsbestimmung des Erblassers vorlag. Diese kann ausdrücklich aber auch dem Verhalten des Erblassers zu entnehmen sein.

Unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers gegenüber Abkömmlingen zu Lebzeiten können im Innenverhältnis zudem zu sogenannten Ausgleichungspflichten führen. Dies jedoch nur im Fall einer gesetzlichen Erbfolge, also nicht, wenn testamentarische Verfügungen des Erblassers existieren. Diese spielen hinsichtlich des Pflichtteils insofern eine Rolle, als gegebenenfalls eine hypothetische Ausgleichung bei der Berechnung der Pflichtteile vorgenommen wird.

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Eine große praktische Relevanz hat zudem der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser besteht unabhängig vom Pflichtteilsanspruch, wenn der Erblasser Teile seines Vermögens zu Lebzeiten verschenkt hat.

Sinn der Vorschriften ist es zu verhindern, dass der Erblasser durch Schenkungen zu Lebzeiten den Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten unzulässig schmälert. Hat der Erblasser Schenkungen an Dritte, also von dem Pflichtteilsberechtigten unterschiedliche Personen, vollzogen, wird der Schenkungsbetrag dem Nachlass hinzuaddiert und damit der zur Berechnung des Pflichtteils – bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu berücksichtigende Nachlass erhöht. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann entsprechend immer nur einem nach dem Gesetz zum Pflichtteil Berechtigten zugesprochen werden.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die zehn Jahres-Frist des § 2325 III BGB. Diese – unter Ehegatten erst nach Scheidung beginnende – Frist führt zunächst dazu, dass Schenkungen, die länger als zehn Jahre vor dem Tod vollzogen wurden, bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht einzubeziehen sind. In den ersten zehn Jahren vor dem Erbfall erfolgt eine Berücksichtigung im ersten Jahr im vollen Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall jeweils um 1/10 weniger.

Auskunft und Wertermittlung

Auskunft

Pflichtteilsberechtigte sind gegenüber den Erben grundsätzlich auskunftsberechtigt. Dies gilt jedoch ausdrücklich nur gegenüber den Erben. Es besteht keine Möglichkeit, beispielsweise zu den Kontoständen am Todestag, direkt bei den Kreditinstituten des Erblassers Informationen einzuholen. Der Pflichtteilsberechtigte ist – anders als beispielsweise im portugiesischen, spanischen oder schwedischen Erbrecht – kein Erbe und tritt somit nicht in die Rechtsposition des Verstorbenen ein. Die Banken sind ihm gegenüber deshalb nicht auskunftspflichtig. Sie würden vielmehr gegen die Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Erben verstoßen, falls Sie Informationen an Dritte weitergeben würden.

Einziger Adressat eines Auskunftsverlangens des pflichtteilsberechtigten Nichterben können daher die Erben sein. Der Pflichtteilsberechtigte kann zunächst einmal den realen Nachlassbestand, also die Nachlassaktiva und die Nachlasspassiva, beauskunften lassen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Erben zur Informationserteilung hinsichtlich des sogenannten fiktiven Nachlassbestandes aufzufordern. Hierbei handelt es sich um die hinzuzurechnenden Schenkungen im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sowie die möglicherweise ausgleichungspflichtigen Zuwendungen.

Die Pflicht zur Vorlegung von Belegen besteht nach herrschender Meinung beim Auskunftsanspruch zum Pflichtteil allgemein nicht. Eine Ausnahme bildet das Vorhandensein eines Unternehmens im Nachlass. Hier wird eine Belegpflicht angenommen.

Es gibt unterschiedliche gesetzliche Formen der Auskunftserteilung beim Pflichtteil. So kann beispielsweise ein privates Bestandsverzeichnis, aber auch ein notarielles Verzeichnis verlangt werden. Hierbei wird von dem Notar im Allgemeinen verlangt, dass er den Nachlass persönlich in Augenschein nimmt, Bankenauskünfte einholt und im örtlichen Grundbuchamt nachforschen soll.

Bei Unregelmäßigkeiten des Verzeichnisses kann verlangt werden, dass die auskunftsverpflichteten Erben eine Erklärung an Eides statt abgeben.

Wertermittlung

Hinsichtlich Unternehmen, Unternehmensbeteiligungen, Immobilien, etc. besteht für den pflichtteilfordernden Nichterben zudem die Möglichkeit, von den Erben Unterlagen zur Wertermittlung zu verlangen. Es besteht zudem das Recht eine Begutachtung durch Sachverständige zu fordern. Die Kosten der Wertermittlung trägt der Nachlass. Wie erläutert wird diese Position bei der Errechnung des Pflichtteils in Abzug gebracht und reduziert damit verhältnismäßig auch den Pflichtteil.

Verjährung

Die Verjährungsfrist zur Geltendmachung des Pflichtteils beträgt drei Jahre.

Der Verjährungsbeginn ist der 31.12. des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und der ihn beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen sowie von der Person des Erben Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. In der Regel wird davon ausgegangen, dass diese Kenntnis erst dann entsteht, wenn er vom Nachlassgericht das Protokoll über die Testamentseröffnung nebst Testamentsabschrift erhält. Erlangt der Pflichtteilsberechtigte die Kenntnis nicht, verjährt der Anspruch spätestens dreißig Jahre nach dem Erbfall.

Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch existiert eine Besonderheit, wenn der zu Lebzeiten Beschenkte für den Anspruch haftet weil der verbliebene Nachlass hierfür nicht ausreicht. In diesem Fall beginnt für die Haftung des Beschenkten eine dreijährige Verjährungsfrist am Todestag des Verstorbenen. Dies gilt auch, wenn der Beschenkte durch den Erblasser beerbt wurde.

Im Rahmen des Pflichtteils, bzw. des Pflichtteilsrechts sollte daher vorsichtshalber immer diese Frist notiert werden.

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