Im hier dargestellten Beschluss des OLG Frankfurt geht es um die Besonderheiten bei der Anordnung einer Nachlasspflegschaft, wenn eine Mehrheit von Erben in Betracht kommt.
Zum Sachverhalt:
Die Antragstellerin hatte gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft beantragt. Als Nachlassgläubigern wollte sie auf diesem Wege Grundbesitzabgaben gegen die Erben, notfalls gerichtlich, geltend machen. Zuvor war der Erblasser, der als Eigentümer einer Gebäude- und Freifläche im Grundbuch eingetragen war, verstorben. Er hatte ein formunwirksames Testament hinterlassen, sodass die gesetzliche Erbfolge Anwendung zu finden hatte.
Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft
Gemäß § 1960 BGB, der die Voraussetzungen für die Einsetzung eines Nachlasspflegers normiert, müssen entweder die Erben unbekannt sein, oder es muss Ungewissheit darüber bestehen, ob sie die Erbschaft angenommen haben. Hat – wie hier – ein Gläubiger, der einen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will, die Einsetzung des Nachlasspflegers beantragt, ist zusätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis seinerseits erforderlich. Dieses ergibt sich jedoch schon aus der Tatsache, dass er einen Anspruch geltend machen will.
Gesetzliche Erbfolge im vorliegenden Fall
Hier stellten sich die Familienverhältnisse des Erblassers so dar, dass eine Mehrheit von Erben in Betracht kam:
Die Ehefrau des Erblassers, sowie die gemeinsame Tochter waren bereits vorverstorben. Hinterblieben waren drei Enkel. Normalerweise, so will es die gesetzliche Erbfolge, hätten diese drei Enkel zu gleichen Teilen ihren Großvater beerbt. Einer der Enkel hatte die Erbschaft jedoch ausgeschlagen. Dieser hatte wiederum selbst zwei Kinder. von einem weiteren Enkel war weder der Aufenthaltsort bekannt, noch konnte festgestellt werden, ob er überhaupt noch lebte. Es handelte sich also um einen unbekannten Erben Währenddessen war der dritte Enkel bekannt und hatte die Erbschaft auch angenommen.
Ohne weitere Ermittlungen lassen sich die (Mit-)erben nicht feststellen
Das Nachlassgericht hatte die Anordnung einer Nachlasspflegschaft hier abgelehnt. Als Grund führte es an, dass die gesetzlichen Erben bekannt seien. Dagegen legte die Antragstellerin wiederum Beschwerde ein und hatte hiermit im Ergebnis auch Erfolg. neben dem nach § 1961 BGB erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, welches hier unproblematisch vorlag, stellte das OLG fest, dass die Erben zumindest teilweise unbekannt seien.
Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft
Zwar sei es richtig, dass einer der Enkel die Erbschaft ausgeschlagen habe, jedoch hätte hiernach geprüft werden müssen, ob die Erbschaft dessen beiden Kindern insofern angefallen ist. In einem weiteren Schritt hätte dann geprüft werden müssen, ob im Falle einer Ausschlagung durch diese, noch weitere Abkömmlinge für eine Anwachsung des in Rede stehenden Erbteils in Betracht kämen. Wer hier also als Miterbe in Betracht kommt, lasse sich nicht ohne weitere Ermittlungen feststellen. Bis das Nachlassgericht die hier erforderlichen Ermittlungen durchgeführt haben werde, sei eine Teilnachlasspflegschaft bzgl. des ursprünglichen Erben, welcher seinen Erbteil ausgeschlagen hatte, anzuordnen.
Es wird also keine Gesamtpflegschaft angeordnet. Im Hinblick auf die Erbteile der übrigen, bekannten Erben, wird auch keine Nachlasspflegschaft angeordnet. Das OLG stellt klar, dass die Voraussetzungen für eine solche Anordnung jeweils gesondert, also für jeden Erbteil und jeden in Betracht kommenden Erben zu prüfen seien.
Bzgl. des weiteren Enkels, bei dem der Aufenthaltsort unbekannt ist und auch nicht bekannt ist, ob er noch lebt, stellt sich die Sachlage nach Auffassung des Gerichts ähnlich dar. Aufgrund der beschriebenen Unklarheiten ist zunächst unbekannt, ob er die Erbschaft angenommen hat und infolgedessen auch unklar, welche weiteren Erben womöglich für eine Anwachsung des auf ihn entfallenden Erbteils des Nachlasses in Frage kommen.
Infolgedessen ordnete das OLG hier wieder eine Teilnachlasspflegschaft an. Zur Abgrenzung von der Abwesenheitspflegschaft führte es weiterhin aus, dass eine solche für Fälle gedacht sei, in denen bereits klar sei, dass der Erbe die Erbschaft angenommen habe.
Fazit
Interessant an dieser Entscheidung ist vor allem die Aufsplittung: Nicht für den gesamten Nachlass wird ein Nachlasspfleger bestellt, sondern nur für den jeweils erforderlichen Teil. Im Umkehrschluss reicht das Bekanntsein nur eines von mehreren in Betracht kommenden Erben nicht aus, um von der Anordnung einer Nachlasspflegschaft abzusehen. Dies erscheint jedoch vor der gesetzgeberischen Intention hinter dem Regelungsinstitut der Nachlasspflegschaft, nämlich den endgültigen Erben zu schützen, auch nur logisch.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, 27.10.2015 – 20 W 244/15